Barista: Die Paralympics in Paris waren ein Highlight dieses Spätsommers. Wie hast du sie erlebt?
Dr. Frauke Schwaiblmair: Die Paralympics vor dieser großen Kulisse in Paris waren sehr beeindruckend. Alle vier Jahre bietet sich dem Behindertensport die ganz große Bühne und findet sogar in den Hauptnachrichten statt. Dass dabei alle Sportlerinnen und Sportler von einem begeisterten Publikum gefeiert wurden, war wirklich bewegend. Schade finde ich, dass es eine Zweiteilung zwischen „richtigen“ Olympischen Spielen und den Paralympics gibt. Wenn beide Großevents zusammengeführt wären, brächte das zwar einen größeren logistischen und organisatorischen Aufwand mit sich – aber am Ende würden alle von einer Grenzen überwindenden, den Menschen zugewandten Sportidee profitieren. Ganz im Sinne des olympischen Gedankens.
Spiegelt der paralympische Glanz alle vier Jahre auch die tatsächliche Situation der Inklusion im Sport wider?
Fast jeder, der mit Inklusion zu tun hat, sagt da ganz klar nein. Paralympischer Hochleistungssport und Inklusion im Breitensport sind zwei komplett getrennte Paar Schuhe. Das fängt schon bei den Sportstätten an. Weil es in den allermeisten Hallen keine Lagermöglichkeit gibt, müssen Rollstuhl-Basketballer jedes Mal mit zwei Rollis in die Halle kommen und gleich auch das Reparaturset für die Sportrollis dabei haben. Das ist ein enormer logistischer Aufwand, braucht meist begleitende Unterstützung und ist mit dem ÖPNV kaum zu machen – schon gar nicht im ländlichen Raum. Das ist nur ein Beispiel, dass es dem Behindertensport vielfach an elementaren Grundlagen fehlt.
Was muss besser oder anders werden und was können Vereine konkret tun?
Dass Inklusion etwas Gutes und gesellschaftlich Erstrebenswertes ist, würde vermutlich jeder sofort unterschreiben. Es fehlt allerdings an vielen Stellen im organisierten Sport in Bayern an expliziten, klar kommunizierten Inklusionsangeboten. Dabei zeigt die Inklusions-Praxis, dass der Mut zur Begegnung immer wieder reich belohnt wird. Ein Sport, der Menschen mit all ihren Stärken und Einschränkungen verbindet, erfährt eine tiefere Sinnstiftung, die weit über den nächsten Wettkampf hinausreicht.
Das klingt nach einer verpassten Chance, oder?
Genau. Dabei könnte Inklusion im Sport sehr einfach sein. Dafür müssten zunächst einmal die Verbände deutlich mehr zusammenrücken: Die Weltverbände der Paralympics und Special Olympics, die verschiedenen Behindertensportverbände auf nationaler und Landesebene – jeder agiert für sich. Dabei müsste man einfach nur mehr miteinander reden. Profitieren würden davon alle. Garantiert.