Siegi Sterr: Erfolg entsteht aus Begeisterung für den Sport gepaart mit Ehrgeiz und Durchhaltevermögen. Mein Bruder Josef Sterr hatte 1951 mit Judo angefangen und mich ein Jahr später überredet, auch mitzumachen.
Mit zwei weiteren 13-Jährigen begann ich meine Judolaufbahn. Es gab damals noch kein eigenes Jugendtraining, so mussten wir nach der sehr anstrengenden Gymnastik, die ja für die Erwachsenen gedacht war, das Fallen üben. Drei Monate nur Fallschule und Haltegriff! Unsere erste Matte war 8cm stark und bestand aus vier Teilen, 2,5 x 2,5 m, gefüllt mit Sägespänen. Die war sehr schwer und zum Fallen bucklig und hart. Aber trotzdem waren wir voll dabei und sind mit dem Radl quer durch München zu anderen Vereinen ins Training gefahren.
Ein bisschen judoverrückt muss man dafür aber schon sein, oder?
Ja klar. Was haben wir schon damals alles unternommen, um den Judosport populärer zu machen. Zum 10jährigen Bestehen 1959 haben wir eine Woche lang Turniere veranstaltet. Ein Turnier mit 16 Mannschaften (5 Kämpfer pro Team) verlegten wir einmal ins Freie, auf den Platz der jetzigen Parkfläche. Das Wetter war prächtig, sorgte aber auch für einige Mattenbrände. Wir haben zudem einen alten Lieferwagen gekauft und mit unseren Plakaten beklebt und jeden Tag an eine andere belebte Straße geparkt. An unserer Begeisterung für den Sport kam so schnell keiner vorbei. Zu den vielen Judoturnieren organisierten wir auch Floßfahrten, Suchfahrten mit dem Auto und Geschicklichkeitsfahrten mit dem Fahrrad. Judo für alle, für die ganze Familie – das war und ist ein echter Ankommer.
Schon sehr bald nach der Gründung wart ihr auch national und international erfolgreich…
Bei der Deutschen Mannschaftsmeisterschaft tauchten wir das erste Mal 1958 in Haßloch auf. Wir erkämpften unter zwölf Teams den 6. Platz und waren ganz stolz, gegen den späteren Sieger DJC Frankfurt unentschieden gekämpft zu haben. Wir hatten das erste Ausrufungszeichen in der Szene gesetzt. Auch weil wir das erste und einzige Team mit einheitlichen Trainingsanzügen waren.
Was bedeuteten die ersten Erfolge für euren weiteren Weg?
Erfolg braucht Teamgeist, Identifikation und Kämpfermentalität. Wir hatten anfangs für die Wettkämpfe richtig großen Aufwand zu betreiben. Alle Kämpfer mussten vorher mit anpacken, die Matten aufbauen und hinterher wieder zum Lastwagen tragen. Im Schwabinger-Bräu hatten wir mal die Biertische mit Seilen zusammengebunden und die Matte daraufgelegt, um den Zuschauern eine bessere Sicht zu ermöglichen. In meinem Kopf entstand da der Wunsch nach einer eigenen Halle. Sie wurde 1991 Wirklichkeit – im japanischen Stil, ganz auf die Anforderungen unseres Sports und der Athleten ausgerichtet. Und sie ist schon seit 1996 schuldenfrei und hat den Gesamtverein nie belastet.
Wie lässt sich Erfolg über den Aufbau einer Infrastruktur hinaus verstetigen?
Ganz einfach: mit Top-Athleten, Top-Trainern und einer gezielten Kinder- und Jugendarbeit, das alles getragen von einem leistungsbereiten Hauptamt und großer Leidenschaft im Ehrenamt. All dies muss reifen. Die Liste der Erfolge mit Titeln und Top-Platzierungen bei nationalen und internationalen Meisterschaft sowie Olympischen Spielen ist zu lang, um sie hier auszurollen. Dass wir heute als Träger des Landesleistungszentrums eine wichtige Rolle in der Entwicklung des Spitzen- und Nachwuchsleistungssports im Judo spielen, basiert auf dieser langjährigen sportlichen Aufbauarbeit.
Worin siehst du heute die größten Herausforderungen für euren Judo-Weg?
Das Jubiläum zu 75 Jahren Judoabteilung im TSV Großhadern ist eine gute Gelegenheit, den Blick auf unsere Wurzeln mit Ausblicken auf die Zukunft zu verbinden. Nach 44 Jahren als Judovorstand habe ich das Beste für den TSV Großhadern erreicht und mit Doris Auer eine sehr gute Nachfolgerin gefunden. Dem Judosport bleibe ich weiter verbunden. Wir müssen unseren Weg konsequent weitergehen und Trainer und Betreuer im Haupt- und Ehrenamt begeistern. Das wird allerdings immer schwerer. Und kostspieliger. Der Deutsche Judo Bund kann nur die A‑Kaderathleten unterstützen. Die Spenden, Mitgliedsbeiträge und die Fördermittel von Bund, Freistaat und Stadt München decken die Kosten für den Sportbetrieb, einschließlich Trainer und Unterhalt der Halle. Da bleibt dann aber kein Spielraum für zusätzliche Talentförderung. Die Förderung von Sportlern der zweiten Reihe müssen die Landesverbände und letztendlich der Verein übernehmen. Aber auch diese Mittel werden immer knapper.
Wie kommt man raus aus diesem Dilemma?
Wir haben selbst die Initiative ergriffen und den Judoförderverein „Wir für Hadern“ gegründet. Im Netzwerk aus Ehemaligen und Förderern, die sich zum Wohle der Sportler engagieren und Spaß daran haben in Kontakt zu bleiben, steckt unheimliches Potenzial. Das werden wir mit Hilfe von „Wir für Hadern“ besser nutzen. So wollen und werden wir einen Beitrag leisten, unseren Status als erfolgreichster Judoverein Deutschlands zu halten.