Baris­ta: 75 Jah­re Judo­ab­tei­lung im TSV Groß­ha­dern. Die Judo­ka haben nicht nur im Ver­ein, son­dern auch im deut­schen Judo­sport Geschich­te geschrie­ben. Da du schon seit 72 Jah­ren dabei bist: Ver­ra­te uns euer Erfolgsrezept? 

Sie­gi Sterr: Erfolg ent­steht aus Begeis­te­rung für den Sport gepaart mit Ehr­geiz und Durch­hal­te­ver­mö­gen. Mein Bru­der Josef Sterr hat­te 1951 mit Judo ange­fan­gen und mich ein Jahr spä­ter über­re­det, auch mitzumachen.
Mit zwei wei­te­ren 13-Jäh­ri­gen begann ich mei­ne Judo­lauf­bahn. Es gab damals noch kein eige­nes Jugend­trai­ning, so muss­ten wir nach der sehr anstren­gen­den Gym­nas­tik, die ja für die Erwach­se­nen gedacht war, das Fal­len üben. Drei Mona­te nur Fall­schu­le und Hal­te­griff! Unse­re ers­te Mat­te war 8cm stark und bestand aus vier Tei­len, 2,5 x 2,5 m, gefüllt mit Säge­spä­nen. Die war sehr schwer und zum Fal­len buck­lig und hart. Aber trotz­dem waren wir voll dabei und sind mit dem Radl quer durch Mün­chen zu ande­ren Ver­ei­nen ins Trai­ning gefahren.

Ein biss­chen judo­ver­rückt muss man dafür aber schon sein, oder?

Ja klar. Was haben wir schon damals alles unter­nom­men, um den Judo­sport popu­lä­rer zu machen. Zum 10jährigen Bestehen 1959 haben wir eine Woche lang Tur­nie­re ver­an­stal­tet. Ein Tur­nier mit 16 Mann­schaf­ten (5 Kämp­fer pro Team) ver­leg­ten wir ein­mal ins Freie, auf den Platz der jet­zi­gen Park­flä­che. Das Wet­ter war präch­tig, sorg­te aber auch für eini­ge Mat­ten­brän­de. Wir haben zudem einen alten Lie­fer­wa­gen gekauft und mit unse­ren Pla­ka­ten beklebt und jeden Tag an eine ande­re beleb­te Stra­ße geparkt. An unse­rer Begeis­te­rung für den Sport kam so schnell kei­ner vor­bei. Zu den vie­len Judo­tur­nie­ren orga­ni­sier­ten wir auch Floß­fahr­ten, Such­fahr­ten mit dem Auto und Geschick­lich­keits­fahr­ten mit dem Fahr­rad. Judo für alle, für die gan­ze Fami­lie – das war und ist ein ech­ter Ankommer.

Schon sehr bald nach der Grün­dung wart ihr auch natio­nal und inter­na­tio­nal erfolgreich…

Bei der Deut­schen Mann­schafts­meis­ter­schaft tauch­ten wir das ers­te Mal 1958 in Haß­loch auf. Wir erkämpf­ten unter zwölf Teams den 6. Platz und waren ganz stolz, gegen den spä­te­ren Sie­ger DJC Frank­furt unent­schie­den gekämpft zu haben. Wir hat­ten das ers­te Aus­ru­fungs­zei­chen in der Sze­ne gesetzt. Auch weil wir das ers­te und ein­zi­ge Team mit ein­heit­li­chen Trai­nings­an­zü­gen waren.

Was bedeu­te­ten die ers­ten Erfol­ge für euren wei­te­ren Weg?

Erfolg braucht Team­geist, Iden­ti­fi­ka­ti­on und Kämp­fer­men­ta­li­tät. Wir hat­ten anfangs für die Wett­kämp­fe rich­tig gro­ßen Auf­wand zu betrei­ben. Alle Kämp­fer muss­ten vor­her mit anpa­cken, die Mat­ten auf­bau­en und hin­ter­her wie­der zum Last­wa­gen tra­gen. Im Schwa­bin­ger-Bräu hat­ten wir mal die Bier­ti­sche mit Sei­len zusam­men­ge­bun­den und die Mat­te dar­auf­ge­legt, um den Zuschau­ern eine bes­se­re Sicht zu ermög­li­chen. In mei­nem Kopf ent­stand da der Wunsch nach einer eige­nen Hal­le. Sie wur­de 1991 Wirk­lich­keit – im japa­ni­schen Stil, ganz auf die Anfor­de­run­gen unse­res Sports und der Ath­le­ten aus­ge­rich­tet. Und sie ist schon seit 1996 schul­den­frei und hat den Gesamt­ver­ein nie belastet.

Wie lässt sich Erfolg über den Auf­bau einer Infra­struk­tur hin­aus verstetigen?

Ganz ein­fach: mit Top-Ath­le­ten, Top-Trai­nern und einer geziel­ten Kin­der- und Jugend­ar­beit, das alles getra­gen von einem leis­tungs­be­rei­ten Haupt­amt und gro­ßer Lei­den­schaft im Ehren­amt. All dies muss rei­fen. Die Lis­te der Erfol­ge mit Titeln und Top-Plat­zie­run­gen bei natio­na­len und inter­na­tio­na­len Meis­ter­schaft sowie Olym­pi­schen Spie­len ist zu lang, um sie hier aus­zu­rol­len. Dass wir heu­te als Trä­ger des Lan­des­leis­tungs­zen­trums eine wich­ti­ge Rol­le in der Ent­wick­lung des Spit­zen- und Nach­wuchs­leis­tungs­sports im Judo spie­len, basiert auf die­ser lang­jäh­ri­gen sport­li­chen Aufbauarbeit.

Wor­in siehst du heu­te die größ­ten Her­aus­for­de­run­gen für euren Judo-Weg?

Das Jubi­lä­um zu 75 Jah­ren Judo­ab­tei­lung im TSV Groß­ha­dern ist eine gute Gele­gen­heit, den Blick auf unse­re Wur­zeln mit Aus­bli­cken auf die Zukunft zu ver­bin­den. Nach 44 Jah­ren als Judo­vor­stand habe ich das Bes­te für den TSV Groß­ha­dern erreicht und mit Doris Auer eine sehr gute Nach­fol­ge­rin gefun­den. Dem Judo­sport blei­be ich wei­ter ver­bun­den. Wir müs­sen unse­ren Weg kon­se­quent wei­ter­ge­hen und Trai­ner und Betreu­er im Haupt- und Ehren­amt begeis­tern. Das wird aller­dings immer schwe­rer. Und kost­spie­li­ger. Der Deut­sche Judo Bund kann nur die A‑Kaderathleten unter­stüt­zen. Die Spen­den, Mit­glieds­bei­trä­ge und die För­der­mit­tel von Bund, Frei­staat und Stadt Mün­chen decken die Kos­ten für den Sport­be­trieb, ein­schließ­lich Trai­ner und Unter­halt der Hal­le. Da bleibt dann aber kein Spiel­raum für zusätz­li­che Talent­för­de­rung. Die För­de­rung von Sport­lern der zwei­ten Rei­he müs­sen die Lan­des­ver­bän­de und letzt­end­lich der Ver­ein über­neh­men.  Aber auch die­se Mit­tel wer­den immer knapper. 

Wie kommt man raus aus die­sem Dilemma?

Wir haben selbst die Initia­ti­ve ergrif­fen und den Judo­för­der­ver­ein „Wir für Hadern“ gegrün­det.  Im Netz­werk aus Ehe­ma­li­gen und För­de­rern, die sich zum Woh­le der Sport­ler enga­gie­ren und Spaß dar­an haben in Kon­takt zu blei­ben, steckt unheim­li­ches Poten­zi­al. Das wer­den wir mit Hil­fe von „Wir für Hadern“ bes­ser nut­zen. So wol­len und wer­den wir einen Bei­trag leis­ten, unse­ren Sta­tus als erfolg­reichs­ter Judo­ver­ein Deutsch­lands zu halten.