Impfen ist ein wesentlicher Bestandteil der COVID-19-Eindämmung. Mit zunehmender Impfquote steigt auch die Hoffnung auf Rückkehr zum gewohnten Sportbetrieb in Training und Wettkampf. Worauf müssen Spitzen‑, Breiten- und Freizeitsportler achten? Nachgefragt bei Dr. med. Leonard Fraunberger, Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie. Der Sportmediziner aus Erlangen ist Vizepräsident des Bayerischen Sportärzteverbandes.
Herr Dr. Fraunberger, welche Bedeutung hat das Impfen – neben Tests und den bekannten Corona-Hygienemaßnahmen – für die Rückkehr zu einem normalen Sportbetrieb indoor wie outdoor?
Dr. L. Fraunberger: Das Impfen ist ein sehr wichtiger Bestandteil, um die COVID-19-Pandemie in den Griff zu bekommen und um möglichst bald wieder in ein normales Leben zurückkehren zu können. Sportliche Aktivität sollte dann sowohl outdoor als auch indoor ohne ein größeres Infektionsrisiko möglich sein.
Was sind Ausschlusskriterien für eine sofortige Impfung?
Bei einer akuten Erkrankung wie z.B. einer Erkältung (auch nicht durch SARS-CoV‑2 verursacht möglich) oder einem Magen-Darminfekt, sollte eine Impfung nicht durchgeführt werden. Es sollte kein Fieber bestehen oder keine vergrößerte Lymphknoten tastbar sein (z.B. am Hals, Mundboden, Leiste, Achselhöhle, etc.). Zu anderen Impfungen wird aktuell ein Abstand von mindestens zwei Wochen empfohlen, v.a. nach der erfolgten COVID-19-Impfung, um mögliche Impfnebenwirkungen auch eindeutig der COVID-19-Impfung zuordnen zu können.
Was bedeuten die Impfungen für das laufende Training oder den täglichen sportlichen Bewegungsdrang? Welche Pausen sind angeraten?
Am Tag der Impfung und bis zu drei Tage danach sollte möglichst kein intensiveres Training absolviert werden. Leichte, moderate Belastungen wie Spazierengehen oder lockeres Radfahren sind möglich. Wenn man als Sportler seine Belastungsbereiche anhand der Herzfrequenz gut kennt, kann man Belastungen im sogenannten Grundlagenausdauerbereich sicher durchführen, ohne eine Einschränkung der Impfwirkung befürchten zu müssen.
Und wie steht es dann mit intensiveren Einheiten?
Bei zu intensivem Training, wie z.B. Intervalltraining, bzw. HIIT (hochintensives Intervalltraining) schüttet der Körper vermehrt Stresshormone aus, u.a. Cortisol, Adrenalin, etc., was das Immunsystem eher schwächt und damit die Impfreaktion auf den Impfstoff nicht die gewünschte Wirkung bringt. Wenn man nach zwei bis drei Tagen moderatem Training keine Probleme hat, kann man die Intensitäten langsam wieder hochfahren.

Impfen und sportmedizinisch abgeklärte Belastungssteuerung gehören zusammen
Wieviel Abstand sollte zu Wettkämpfen eingeplant werden?
Sportmedizinisch zu empfehlen ist ein Abstand von Spitzenleistungen im Training oder Wettkampf von mindestens sieben, besser 14 Tagen nach erfolgter Impfung.
Und wenn es einen doch erwischt: Worauf sollten gerade aktive Sportler bei einer Corona-Infektion achten, selbst wenn diese symptomfrei verläuft?
Aus Sportlersicht ist es wichtig bei jedem Infekt, nicht nur bei einer COVID-19-Infektion, auf den eigenen Körper zu hören und kein Training zu absolvieren. Sportverbot gilt bei Fieber mit Temperaturerhöhung > 38°C, einem Ruhepuls (z.B, regelmäßig morgens messen) von > 10/min als normal, Muskel-/Gliederschmerzen z.B. schon beim Treppensteigen oder Lymphknotenschwellungen (Abtasten am Hals, Mundboden, Leiste, Achselhöhle, etc.).
Was heißt dies für die Wiederaufnahme des Trainings?
Return-To-Sport wenn alle Symptome nicht mehr da sind (kein Fieber, keine vergrößerten Lymphknoten, etc.), dann kann langsam mit moderatem Training begonnen werden. Erst nach zwei bis drei Tagen Training ohne weitere Probleme die sportartspezifischen Belastungen und Intensitäten wieder dazu nehmen.
Wann und wie sollte ein Sportmediziner eingebunden werden?
Bei einer eher symptomarmen beziehungsweise ‑freien Corona-Infektion wird aktuell eine Isolierung mit Sportverbot von mindestens zehn Tagen empfohlen (siehe Entscheidungsalgorithmus Algorithmus COVID 2.2). Danach wird zumindest eine ärztliche Untersuchung, ein Ruhe-EKG und Blutuntersuchungen, ggf. auch ein Belastungs-EKG, eine Lungenfunktionsprüfung und ein Herzultraschall vor Wiederaufnahme des Trainings empfohlen. Sollte alles unauffällig sein, kann über sieben Tage die Form langsam wieder schrittweise aufgebaut werden.
Mit welchen Trainings- und Formeinbußen ist zu rechnen?
Insgesamt kann es so zu einem Trainingsausfall von 17–21 Tagen kommen. In diesem Zeitraum wurde bei eigenen Messungen ein Muskelverlust von teilweise drei bis fünf Kilogramm festgestellt. Deshalb ist es wichtig, sich für die Heranführung an die volle sportliche Leistungsfähigkeit auch genug Zeit zu nehmen und Geduld zu haben! Dadurch können mögliche Folge- oder Spätschäden wie zum Beispiel eine Herzmuskelentzündung vermieden werden.
FAQ’S

Dr. med. Leonard Fraunberger, Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Sportmediziner und Vizepräsident des Bayerischen Sportärzteverbandes
COVID-19 Impfungen: Was (nicht nur) Sportler wissen müssen –
Der Impffakten-Check vom Sportmediziner Dr. med. Leonard Fraunberger
Für wen kommt welche Impfung in Frage?
Aktuell werden vier Impfstoffe empfohlen, die hinsichtlich des Individualschutzes und der Bekämpfung der Pandemie als gleich geeignet beurteilt werden:
Nach den Empfehlungen der STIKO (vom RKI = Robert-Koch-Institut) wird eine Impfung gegen COVID-19 mit einem der beiden zugelassenen mRNA-Impfstoffe (Comirnaty® von BioNTech/Pfizer und COVID-19-Vaccine® von Moderna) für alle Alters- und Indikationsgruppen empfohlen.
Die beiden zugelassenen Vektor-basierten Impfstoffe (Vaxzevria® von AstraZeneca, COVID-19 Vaccine Janssen® von Janssen-Cilag International) werden aktuell eher für Personen im Alter > 60 Jahren empfohlen. Der Einsatz von Vaxzevria für eine 1. oder 2. Impfstoffdosis und der COVID-19 Vaccine Janssen als einmalige Impfung unterhalb dieser Altersgrenze bleibt nach ärztlicher Aufklärung und bei individueller Risikoakzeptanz durch die impfwillige Person aber möglich.
Aktuelle Empfehlungen siehe RKI:https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/ImpfungenAZ/COVID-19/COVID-19.html Diese Empfehlungen werden fortlaufend geprüft und den aktuellen wissenschaftlichen Entwicklungen und Erkenntnissen angepasst.

Sport in Corona-Zeiten heißt mehr denn je Verantwortung füreinander übernehmen
Worauf muss man bei chronischen Erkrankungen achten?
Bei chronischen Erkrankungen, wie z.B. bei einer Herzerkrankung oder einem Krebsleiden und vielen weiteren Erkrankungen, ist es wichtig, aktuell in einem stabilen Zustand zu sein. Gerade bei vielen chronischen Erkrankungen ist es sinnvoll, möglichst frühzeitig zu impfen, deshalb wurden entsprechende Priorisierungsgruppen definiert.
Welche Alarmzeichen nach einer erfolgten Impfung sollten immer beachtet und ärztlich abgeklärt werden?
Die häufigsten Nebenwirkungen nach einer Impfung sind vor allem grippeähnliche Symptome, wie Fieber, Schüttelfrost, Muskelschmerzen, weiterhin treten häufig Kopfschmerzen, allgemeine Ermüdung, Unwohlsein und Schmerzen an der Injektionsstelle mit einer örtlichen Rötung auf. Alle diese Symptome klingen meist nach einigen Tagen ab.
Schwerwiegendere Nebenwirkungen wären eine Thrombose, vor allem im Bereich der Hirnvenen (die sog. Sinusvenenthrombose) oder eine plötzlich auftretende anaphylaktische Reaktion. Letztere wird in vier Schwergrade eingeteilt, es können im Stadium 1 Juckreiz, Hautausschlag, Quaddeln und Hautschwellungen auftreten, im Stadium 2 zusätzlich Erbrechen, Durchfall, Blähungen und Stuhldrang, im Stadium 3 eine Kehlkopfschwellung, Atemkrämpfe, blaugefärbte Haut und Schleimhäute bis hin zum Schock mit Minderdurchblutung der Organe mit Kreislaufversagen und Bewusstlosigkeit, im Stadium 4 auch Atem- und Herz-/Kreislaufstillstand. Bei solchen Reaktionen ist eine sofortige ärztliche Behandlung bis hin zur Wiederbelebung angezeigt, deshalb sollte man nach einer Impfung noch für mindestens 15 Minuten am Impfort bleiben.

Nach der Impfung ist Trainingspause angesagt
Weitere Alarmzeichen sind — nach Abklingen der üblichen Impfreaktionen – Symptome wie Kurzatmigkeit, Unterleibsschmerzen oder Schwellungen in Armen oder Beinen, auch bei starken oder anhaltenden Kopfschmerzen oder punktförmigen Hautblutungen sollten Betroffene sofort ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen.
Was bedeutet vollständiger Impfschutz für weitere Vorsichtsmaßnahmen (z.B. gegenüber neuen Mutationen) und wie lange hält er nach derzeitigem Kenntnisstand an?
Von einem vollständigen Impfschutz geht man aus, wenn man von einer COVID-19-Infektion genesen ist oder nach einer entsprechenden Impfung.
- Biontech/Pfizer: 95% Schutz 7 Tage nach der 2. Impfung.
- Moderna: 95% Schutz 14 Tage nach der 2. Impfung.
- AstraZeneca: 80% Schutz 15 Tage nach der 2. Impfung.
- Johnson&Johnson: 85% Schutz 7 Tage nach der 1. Impfung (nur 1 Impfung notwendig).
Aber bereits nach den ersten Impfungen (der drei erstgenannten Impfstoffe) geht man von einem Schutz von mehr als 70% aus.
Wie lange dieser Impfschutz anhält ist noch nicht genau bekannt und muss erst in weiteren laufenden Studien herausgefunden werden. Man kann davon ausgehen, dass ähnlich wie beim Grippevirus Anpassungen des Impfstoffes an die jeweiligen Veränderungen (Mutationen) des Virus erfolgen müssen.