Vor zwölf Jah­ren hat Bay­erns Innen- und Sport­mi­nis­ter Joa­chim Herr­mann das Spit­zen­sport­pro­gramm bei der Baye­ri­schen Poli­zei ein­ge­führt. Ein Erfolgs­mo­dell. Bei der VI. Bereit­schafts­po­li­zei­ab­tei­lung in Dach­au ver­bin­den Top-Ath­le­ten des Som­mer­sports ihre sport­li­che Kar­rie­re mit einer zukunfts­fä­hi­gen Berufs­aus­bil­dung im Dienst der Gesell­schaft. Ein Ortsbesuch.

Wenn es so rich­tig kab­be­lig wird, ist er ganz in sei­nem Ele­ment: Side­ris Tasia­dis, der Sil­ber­me­dail­len­ge­win­ner im Kanu­sla­lom bei Olym­pia 2012 in Lon­don. Im glei­chen Jahr ist der Fried­ber­ger, der im Augs­bur­ger Eis­ka­nal das Wild­was­ser rei­tet, in die ers­te Som­mer­sport­klas­se der Spit­zen­sport­för­de­rung der Baye­ri­schen Poli­zei ein­ge­tre­ten. Seit­her hat der heu­ti­ge Poli­zei­haupt­meis­ter sport­lich immer gelie­fert, Gesamt­welt­cup-Sie­ge wei­te­re Medail­len bei Euro­pa­meis­ter­schaf­ten und Olym­pi­schen Spie­len geholt, 2022 wur­de er bei der Heim-WM in Augs­burg Weltmeister.

Und sein Erfolgs­hun­ger ist noch nicht gestillt. Olym­pia 2024 in Paris ruft – um sei­nen Olym­pia-Medail­len­satz zu vervollständigen.

Doch wie bringt man Hoch­leis­tungs­sport und Poli­zei­dienst unter einen Hut? Dafür lohnt ein Blick nach Dach­au, wo seit 1973 der flä­chen­mä­ßig größ­te Stand­ort der Baye­ri­schen Bereit­schafts­po­li­zei in Bay­ern ange­sie­delt ist. Zir­ka 1.350 Beschäf­tig­te tun hier Dienst. 2012 hat­te Innen- und Sport­mi­nis­ter Joa­chim Herr­mann den Spit­zen­sport der Baye­ri­schen Poli­zei aus der Tau­fe geho­ben und als eige­nen Teil der behörd­li­chen Sport­för­de­rung neben Bun­des­wehr, Zoll und Bun­des­po­li­zei eta­bliert – mit Side­ris Tasia­dis in der ers­ten Som­mer­sport­klas­se „S2012“. „Vor zwölf Jah­ren haben wir mit der Ein­stel­lung von sechs Beam­ten in Aus­bil­dung für die Som­mer­sport­klas­se und acht Beam­ten in Aus­bil­dung für die Win­ter­sport­klas­se begon­nen. Seit­her ist durch die jähr­li­che Auf­stel­lung von je einer Som­mer- und Win­ter­sport­klas­se die Anzahl der Spit­zen­sport­le­rin­nen und ‑sport­ler bei der Baye­ri­schen Poli­zei kon­ti­nu­ier­lich auf der­zeit  38 Poli­zei­be­am­tin­nen und 61 Poli­zei­be­am­te gestie­gen. Es ist mir ein gro­ßes Anlie­gen, die Spit­zen­sport­för­de­rung bei der Baye­ri­schen Poli­zei wei­ter­hin so enga­giert und erfolg­reich fort­zu­füh­ren“, erklär­te Herr­mann zum Sai­son­rück­blick 2022/23.

Som­mer­sport in erfah­re­nen Händen

Die Lei­tung des Aus­bil­dungs­se­mi­nars Spit­zen­sport Som­mer bei der VI. Bereit­schafts­po­li­zei­ab­tei­lung Dach­au liegt seit der ers­ten Kon­zep­tio­nie­rung im Jahr 2011 in den Hän­den von Ers­tem Poli­zei­haupt­kom­mis­sar Armin Leuch­ter. Der 58-Jäh­ri­ge Nie­der­bay­er betreut aktu­ell 27 Beam­te in Aus­bil­dung in vier Som­mer­sport­klas­sen aus zwölf ver­schie­de­nen Sport­ver­bän­den. Die fünf­te und jüngs­te Som­mer­sport­klas­se beginnt Ihre vier­ein­halb­jäh­ri­ge Aus­bil­dung am 09. Sep­tem­ber 2024 in Dach­au. Zusam­men mit den 26 Sport­lern der Sport­trai­nings­grup­pe leis­ten aktu­ell ins­ge­samt 53 Sport­le­rin­nen und Sport­ler (Stand 1.5.24) als Ange­hö­ri­ge der Spit­zen­sport­för­de­rung der Baye­ri­schen Poli­zei ihren Dienst.

 

Vor­aus­set­zun­gen für die dua­le Aus­bil­dung sind neben einer ent­spre­chen­den gesund­heit­li­chen Eig­nung die deut­schen Staats­bür­ger­schaft und ein Alter zwi­schen 16 und 30 Jah­ren sowie eine posi­ti­ve sport­fach­li­che Beur­tei­lung durch jewei­li­gen Spit­zen­sport­ver­band und eine vom Deut­schen Olym­pi­schen Sport­bund aner­kann­ten Kad­er­zu­ge­hö­rig­keit (Per­spek­tiv- oder Ergän­zungs­ka­der sowie Nach­wuchs­ka­der NK1 und NK2). 

Die poli­zei­li­che Aus­bil­dung von Spit­zen­sport­lern ist von zwei­ein­halb auf vier­ein­halb Jah­re gestreckt. Sie ist jähr­lich auf­ge­teilt in eine zir­ka vier­mo­na­ti­ge Prä­senz­pha­se mit Schwer­punkt Aus­bil­dung und eine bis zu acht­mo­na­ti­ge Trai­nings- und Wett­kampf­pha­se, in der Ath­le­ten bei fort­lau­fen­dem Gehalt für ihren Sport frei­ge­stellt sind. „Leis­tungs­sport und Poli­zei­aus­bil­dung pas­sen im Grun­de her­vor­ra­gend zusam­men: Bei­des ver­langt außer­ge­wöhn­li­che Per­sön­lich­kei­ten, die phy­sisch und psy­chisch belast­bar sind und kon­se­quent und mit gro­ßer inne­rer Bereit­schaft ihren Weg gehen“, erklärt Leuch­ter. „Unse­re Ath­le­ten und ange­hen­den Poli­zis­tin­nen und Poli­zis­ten ken­nen und akzep­tie­ren eine Grund­re­gel: Es wird einem nichts geschenkt – aber am Ende wird man doch reich belohnt.“    

Ein umfas­sen­des Lehr- und Lernpaket

Die poli­zei­li­che Aus­bil­dung erfolgt in klei­nen Klas­sen, kom­pri­miert in fünf Aus­bil­dungs­ab­schnit­ten. Dazu gehört all das, was für den Poli­zei­all­tag von Bedeu­tung ist, zum Bei­spiel Rechts­fä­cher wie All­ge­mei­nes Poli­zei­recht, Straf‑, Ver­kehrs- und Beson­de­res Sicher­heits­recht. Beson­de­ren Wert wird bei den Poli­zei­sport­lern auf die Per­sön­lich­keits­bil­dung gelegt. Denn gera­de im Ein­satz bewäh­ren sich all die Per­sön­lich­keits­merk­ma­le, die auch Spit­zen­sport­ler brau­chen, um erfolg­reich zu sein: Selbst­stän­dig­keit, Zuver­läs­sig­keit, Kom­mu­ni­ka­ti­ons­fä­hig­keit, Auf­ge­schlos­sen­heit sowie Team­fä­hig­keit, Ein­füh­lungs­ver­mö­gen, Stress­sta­bi­li­tät, Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein gepaart mit Urteils- und Entschlussfähigkeit.

In der prak­ti­schen Aus­bil­dung geht es um Fächer wie Selbst­ver­tei­di­gung, EDV- und IT-Anwen­dun­gen, Sach­be­ar­bei­tung, Fahr­aus­bil­dung, situa­ti­ves Hand­lungs­trai­ning sowie die Waf­fen- und Schieß­aus­bil­dung. „Eines kann ich Hun­dert­pro­zent garan­tie­ren: Die dua­le Aus­bil­dung für Pro­fi­sport­ler ver­eint das Bes­te aus bei­den Wel­ten und wird des­we­gen nie lang­wei­lig“, sagt Armin Leuchter.

Wer sich auf Top-Leis­tun­gen im Sport fokus­siert, tut sich damit leich­ter in einem gesi­cher­ten Rah­men ohne wirt­schaft­li­che oder sozia­le Sor­gen. Anders als in Sport­ar­ten wie Fuß­ball, Ten­nis oder der For­mel 1 kön­nen Ath­le­ten aus den meis­ten Som­mer- und Win­ter­sport­ar­ten nicht von ihrem Sport leben. „Der Behör­den­s­port bie­tet sozia­le Sicher­heit, dass das Leben auch nach der sport­li­chen Kar­rie­re für die nächs­ten 30 Berufs­jah­re in geord­ne­ten Bah­nen und mit guten Zukunfts­per­spek­ti­ven wei­ter­geht“, beschreibt Armin Leuch­ter das Konzept.

Auch Olym­pia­sie­ger müs­sen in der Aus­bil­dung liefern

Damit auf die­sem dua­len Weg die indi­vi­du­el­len, sport­ar­ten­spe­zi­fi­schen Bedürf­nis­se in der Aus­bil­dung nicht zu kurz kom­men, suchen die Klas­sen­lei­ter, Poli­zei­aus­bil­der und Tuto­ren, die auch aus dem Hoch­leis­tungs­sport kom­men, als Bin­de­glie­der zwi­schen der Baye­ri­schen Poli­zei und den Spit­zen­sport­ver­bän­den den für alle Sei­ten opti­ma­len Aus­bil­dungs­weg. Dazu gehö­ren auch Frei­stel­lun­gen, wenn bei­spiels­wei­se Groß­ereig­nis­se wie Welt- oder Euro­pa­meis­ter­schaf­ten in die Prä­senz­pha­se der ange­hen­den Poli­zei­kräf­te fal­len. Dann wird mit den Ath­le­ten ein ent­spre­chen­der Nach­führ­un­ter­richt abge­stimmt. „Es gibt aber selbst für Olym­pia­sie­ger und Welt­meis­ter kei­ne Abstri­che bei den Aus­bil­dungs­in­hal­ten. Aber Leis­tungs­sport­ler kön­nen erfah­rungs­ge­mäß sehr gut damit umge­hen, auf den Punkt genau ihre Spit­zen­leis­tun­gen zu erbrin­gen“, weiß Armin Leuch­ter. „Da bin ich auch immer schon ein biss­chen stolz dar­auf, dass unse­re Ath­le­tin­nen und Ath­le­ten immer liefern.“

Bei den Som­mer­sport­lern geht in die­sem Jahr der Blick vor allem zu den Ende Juli begin­nen­den Olym­pi­schen Spie­len in Paris. Einer, der bei sol­chen Ereig­nis­sen immer lie­fert, ist, wie gesagt, Side­ris Tasia­dis. Bei den letz­ten Spie­len in Tokio hol­te er Bron­ze. Und er will noch mehr. Die Qua­li­fi­ka­ti­on für Paris hat­te er als ers­ter aus dem Spit­zen­sport-Team der Baye­ri­schen Poli­zei in der Tasche. Auch sein Kol­le­ge, der U23-Euro­pa­meis­ter und Sprin­ter Yan­nick Wolf, hat auf dem Weg nach Paris Anfang Mai bei der Staf­fel-WM auf den Baha­mas einen wei­te­ren Schritt Rich­tung Paris getan. „Das waren teils hoch dra­ma­ti­sche Wett­kämp­fe, da ging mir in Tau­sen­den Kilo­me­tern Ent­fer­nung beim Mit­fie­bern rich­tig der Puls hoch“, berich­tet der Semi­nar­lei­ter. „Umso mehr habe ich mich gefreut, dass hier Yan­nick den nächs­ten Schritt für sei­nen gro­ßen Traum von Olym­pia rea­li­sie­ren konn­te – ein Traum von uns allen.“

Medail­len haben Gewicht – für alle, die dar­an mit­ge­wirkt haben

Da sei ganz unmit­tel­bar zu spü­ren gewe­sen, als vor drei Jah­ren Side­ris Tasia­dis und Judo­ka Sebas­ti­an Seidl ihre Olym­pia­me­dail­len von den Spie­len in Tokio mit nach Dach­au gebracht hat­ten. Ein beson­de­rer, hoch­emo­tio­na­ler Moment für das gan­ze Aus­bil­dungs­team: „Die Leis­tungs­ent­wick­lung über den gesam­ten Olym­pia­zy­klus bis hin zu den Spie­len und dann auch noch aufs Podest ist ein so unglaub­lich lan­ger Weg, auf dem so unglaub­lich viel pas­sie­ren kann“, weiß Armin Leuch­ter. „Umso grö­ßer fühlt es sich an, wenn er am Ende belohnt wird. Als ich die 413 Gramm schwe­re Olym­pia-Medail­len unse­rer Sport­ler in der Hand hielt, war das für mich ein ech­ter Gän­se­haut­mo­ment. Dann weiß man, dass sich all der Ein­satz und all die Anstren­gun­gen für unse­re tol­len Ath­le­ten und Kol­le­gen wirk­lich gelohnt haben.“

Und natür­lich brau­che auch die Baye­ri­sche Poli­zei die sport­li­chen wie auch die Aus­bil­dungs­er­fol­ge ihrer Spit­zen­kräf­te. „Dar­an wer­den die Ath­le­ten, aber auch wir als För­de­rer des Spit­zen­sports gemes­sen“, stellt Armin Leuch­ter sach­lich fest. „Es geht um Win-win für alle – für den Sport, die Baye­ri­sche Poli­zei und die Gesell­schaft. Dar­um dreht sich all unser Enga­ge­ment. 365 Tage im Jahr.“