Zu den Bes­ten sei­ner Zunft zu gehö­ren, ein star­kes Team im Rücken zu haben und alles zu geben, um nach den Ster­nen zu grei­fen: Das sind nor­ma­ler­wei­se die Zuta­ten für den ganz gro­ßen sport­li­chen Erfolg. Aber manch­mal macht einem das Schick­sal einen Strich durch die Rech­nung und der Olym­pia­zug fährt ein­fach davon. Welt­klas­se-Rin­ger Roland Schwarz erlebt gera­de sei­ne schwers­te sport­li­che und mensch­li­che Prüfung.

Roland Schwarz hat Talent in die Wie­ge gelegt bekom­men. Gro­ßes Talent. Sein Vater, Islam Dugut­schi­jew galt in der ers­ten Hälf­te der 90er als einer der bes­ten Rin­ger der Welt im grie­chisch-römi­schen Stil, wur­de vier­mal Welt­meis­ter und gewann 1992 olym­pi­sches Sil­ber. Roland begann mit dem Rin­gen im Alter von sie­ben Jah­ren beim 1. AC Bay­reuth, wech­sel­te spä­ter zum ASC Bind­lach  und mach­te wie der berühm­te Vater Kar­rie­re im grie­chisch-römi­schen Stil.

Es geht für den heu­te 24-Jäh­ri­gen kon­ti­nu­ier­lich berg­auf. Als Sport­sol­dat in der Sport­för­der­grup­pe der Bun­des­wehr kann er mit sei­nem per­sön­li­chen Trai­ner Mat­thi­as Forn­off sich in die Welt­spit­ze hin­ein­kämp­fen. Der Lohn: In der neu­en olym­pi­schen Gewichts­klas­se bis 77 Kilo­gramm besiegt Roland Schwarz 2019 bei der Euro­pa­meis­ter­schaft in Buka­rest zahl­rei­che Welt­klas­se­rin­ger und muss sich im Fina­le nur dem drei­ma­li­gen Olym­pia­sie­ger aus Russ­land geschla­gen geben.

Noch vor Coro­na: Roland Schwarz vs. Marc von Tug­gi­ner beim Fina­le der Deut­schen Mann­schafts­meis­ter­schaf­ten 2019/20 (Foto: Kadir Caliskan)


Drei Chan­cen für Olympia

Der Weg zum Olymp scheint vor­ge­zeich­net zu sein, als ihm der Bun­des­trai­ner Micha­el Carl die Olym­pia-Qua­li­fi­ka­ti­on zusagt. Die Vor­aus­set­zung: Platz 1–5 bei der WM oder Final­ein­zug bei einem kon­ti­nen­ta­len Qua­li-Tur­nier oder Final­ein­zug bei einem Welt-Qua­li-Tur­nier. Drei Chan­cen – das soll­te für den Hoch­ver­an­lag­ten zu machen sein.

Doch dann kommt Coro­na und wir­belt alle Trai­nings- und Wett­kampf­plä­ne durch­ein­an­der. Bei der WM ver­passt er, gehan­di­capt durch einen im Trai­ning gebro­che­nen Mit­tel­hand­kno­chen, die Quali.
Alle Tur­nie­re fal­len pan­de­mie­be­dingt aus. Für Roland heißt dies: kei­ne wei­te­ren Leis­tungs­nach­wei­se mög­lich – ledig­lich beim Grand­Prix in Dort­mund kann er noch­mal Wett­kampf­pra­xis sam­meln, kann sich aber dort nicht durch­set­zen. Schlech­te Nach­rich­ten aus sei­nem direk­ten per­sön­li­chen Umfeld raub­ten ihm die auf Welt­klas­se-Niveau not­wen­di­ge Konzentration.

Der Bun­des­trai­ner setzt den­noch wei­ter auf sei­nen Top-Ath­le­ten und setzt zum Jah­res­en­de 2020 ein Aus­rin­gen um die Qua­li­plät­ze mit der Num­mer 2 in Deutsch­land und eini­gen ande­ren Rin­gern an – Roland Schwarz wit­tert sei­ne Chan­ce. Er hat wie­der einen sehr guten Leis­tungs­stand erreicht und berei­tet sich akri­bisch auf den ent­schei­den­den Wett­kampf vor. Dann die Hiobs­bot­schaft: Im Ver­eins­trai­ning – das für die Pro­fis ja auch im Lock­down wei­ter­lief – tritt ein posi­ti­ver COVID-19-Fall ein. Schwarz muss dar­auf­hin als Kon­takt­per­son für zwei Wochen in Qua­ran­tä­ne. Er ver­passt das Aus­rin­gen. Der Fokus des Bun­des­trai­ners liegt nun auf den ande­ren Ringern.

Die Band­schei­be streikt – die Qua­li-Uhr tickt weiter

Der Baye­ri­sche Rin­ger-Ver­band baut aber wei­ter auf Roland Schwarz und unter­stützt ihn auf sei­ner „Road to Tokyo“. Dann erneut ein Rück­schlag. Ende 2020 kommt er mit einer Band­schei­ben­ver­let­zung aus dem Trai­nings­la­ger zurück und muss ope­riert wer­den. Die Uhr tickt gna­den­los wei­ter. Es wird immer enger für den Rin­ger. Der kämpft sich zurück – wäh­rend sein direk­ter Kon­kur­rent kei­nen Kampf im kon­ti­nen­ta­len Qua­li-Tur­nier gewin­nen kann. Geht da noch was für den Bayern?

Die gesam­te Trai­ner­schaft des Bun­des­stütz­punk­tes Rin­gen in Bay­ern am Stand­ort Nürn­berg arbei­tet ziel­ge­rich­tet auf Rolands Come­back hin. Der zahlt es mit top Leis­tun­gen zurück und kann in Kroa­ti­en im Trai­nings­la­ger der Natio­nal­mann­schaft auch den Bun­des­trai­ner wie­der auf sein Wie­der­erstar­ken auf­merk­sam machen. Der direk­te natio­na­le Kon­kur­rent von Roland um den Qua­li-Platz akzep­tiert die Ent­schei­dung des Bun­des­trai­ners aber aus unbe­kann­ten Grün­den nicht, geht dem direk­ten Ver­gleich aus dem Weg und tritt nicht zum Aus­rin­gen an.

Roland Schwarz beim Welt­cup in Bel­grad im Kampf gegen Alvis Almen­dra Jimi­nez aus Pana­ma. (Foto: Kadir Caliskan)

 

Die letz­te Chan­ce in Sofia

Bun­des­trai­ner Carl nomi­niert dar­auf­hin Roland Schwarz für das letzt­mög­li­che Qua­litur­nier, bei dem es nur einen Start­platz pro Nati­on gibt. Roland wit­tert sei­ne Chan­ce, berei­tet sich hart und unge­mein akri­bisch vor. Sei­ne Chan­cen ste­hen gut. Der Bun­des­trai­ner sieht, dass sein Rin­ger wie­der fast sei­nen Aus­gangs­leis­tung­s­tand erreicht hat und hoch moti­viert ist.

Und dann das: Kurz bevor er zum ent­schei­den­den Qua­li­fi­ka­ti­ons­tur­nier in Sofia auf­bre­chen will, spürt Roland Schwarz Grip­pe­sym­pto­me. Zwei Coro­na-Schnell­tests schla­gen posi­tiv an, der PCR-Test bringt die trau­ri­ge Gewiss­heit: Roland Schwarz hat sich mit COVID-19 infi­ziert. Alle Anstren­gun­gen, das Über­win­den von Ver­let­zun­gen, das ziel­ge­rich­te­te Trai­ning, das Zurück­kämp­fen zum alten Leis­tungs­stand sind umsonst – der Traum von Olym­pia – der Lebens­hö­he­punkt eines jeden Sport­lers – schien zum Grei­fen nah. Nun ist er durch Coro­na geplatzt.

Roland Schwarz hat für sei­nen olym­pi­schen Lebens­traum gekämpft. Mit aller Lei­den­schaft und Här­te gegen sich selbst. Er hat ihn nicht auf der Mat­te ver­lo­ren. Auch das ist Sport. Was bleibt? Als Kämp­fer hat Roland Schwarz auf sei­nem Weg zum Olymp sei­ne Extra-Klas­se und Grö­ße bewie­sen. Er ist damit auch ein star­kes und vor allem sehr authen­ti­sches Vor­bild für jun­ge Rin­ger in Bay­ern. Das mag für ihn jetzt gera­de nur ein schwa­cher Trost sein. Aber Rolands sport­li­che Geschich­te ist damit auch über den ver­pass­ten Olym­pia-Moment hin­aus wert­voll. Und sie ist ja auch noch lan­ge nicht zu Ende.