Baris­ta: In die­sen Tagen posi­tio­niert sich die Zivil­ge­sell­schaft deut­lich gegen Demo­kra­tie- und Ver­fas­sungs­fein­de. Wel­che Rol­le spielt dabei der Sport für die demo­kra­ti­sche Ver­fasst­heit unse­rer Gesellschaft?

Stm. Joa­chim Herr­mann: Im Sport spie­gelt sich die Gesell­schaft in ihrer gan­zen Brei­te wider. Im Sport­ver­ein kom­men die unter­schied­lichs­ten gesell­schaft­li­chen Grup­pen zusam­men. Hier trifft der Bau­ar­bei­ter auf die Ärz­tin, die Unter­neh­me­rin auf den Elek­tri­ker, der Feu­er­wehr­mann auf die Stu­den­tin, das Flücht­lings­kind auf den Dia­lekt spre­chen­den Trai­ner… So unter­schied­lich sie auch immer sein mögen, die Begeis­te­rung für den Sport eint sie. Sport­ver­ei­ne brin­gen Men­schen zusam­men. Des­halb glau­be ich, dass gera­de der Sport eine wich­ti­ge „demo­kra­ti­sche“ Funk­ti­on erfüllt, weil er Men­schen ver­eint und damit ein Stück weit auch in der Lage ist, gesell­schaft­li­che Spal­tung zu verhindern.

Wie kann die Demo­kra­tie im und über den Sport gestärkt werden?

Im Sport wer­den wich­ti­ge Wer­te ver­mit­telt und prak­tisch gelebt, die die demo­kra­ti­sche Kom­pe­tenz stär­ken kön­nen: Tole­ranz ler­nen, Nie­der­la­gen ein­ste­cken, sich in einer Gemein­schaft behaup­ten und ein­ord­nen, Team­geist, Zusam­men­halt, Fair-Play und Inte­gra­ti­on. Und das ist sicher noch nicht alles. Ich bin aber auch der Mei­nung, dass der Sport nicht zu sehr poli­tisch auf­ge­la­den wer­den soll­te. Das wür­de ich mir zum Bei­spiel beim DFB manch­mal wün­schen: Er emp­fiehlt einer­seits poli­ti­sche Zurück­hal­tung, hat aber mehr oder weni­ger die pein­li­che Situa­ti­on mit der „One-Love-Bin­de“ bei der WM in Katar ver­ur­sacht. Auch die mas­si­ve Ein­mi­schung in die auf­ge­heiz­te Diver­si­ty- und Gen­der­de­bat­te wider­spricht die­ser Zurück­hal­tung und trägt eher zur Spal­tung bei.

Was macht dabei beson­ders Ein­druck auf Sie?

Gera­de in Bay­ern erle­be ich ein unglaub­li­ches ehren­amt­li­ches Enga­ge­ment in den Sport­ver­ei­nen. So vie­le Men­schen, die den Laden am Lau­fen hal­ten, ohne deren selbst­lo­sen Ein­satz der Ver­eins- und Ama­teur­sport völ­lig undenk­bar wäre. Ich glau­be, dass die­se vie­len Ehren­amt­li­chen sich nicht nur des­halb so enga­gie­ren, weil sie sie ihre Sport­art lie­ben und für sie bren­nen, son­dern auch weil sie von den Wer­ten im Sport über­zeugt sind. Und es ist eben auch geleb­te Demo­kra­tie, wenn man sich für eine Sache ein­setzt, Vor­bild ist für ande­re, für den Zusam­men­halt einer Gemein­schaft ein­steht und Wer­te wie Tole­ranz, Rück­sicht­nah­me oder den anstän­di­gen, fai­ren Umgang mit­ein­an­der prak­tisch lebt.