Han­nes Wag­ner, 28, Top-Rin­ger vom AC Lich­ten­fels, tritt gera­de beim 1. Qua­li­fi­ka­ti­ons­tur­nier der Olym­pi­schen Som­mer­spie­le 2024 in der Stil­art Grie­chisch-römisch an. In Ba¬ku, der Haupt­stadt von Aser­bei­dschan, geht es für den Fran­ken um nicht weni­ger als einen Lebenstraum.

Hal­lo Han­nes, Du bist ja schon lan­ge und sehr erfolg­reich im Rin­ger­ge­schäft. Was bedeu­ten da Olym­pia und die Olym­pia-Qua­li für dich?

Han­nes Wag­ner: Das Rin­gen gehört zu den Ur-Sport­ar­ten bei Olym­pia, es prägt maß­geb­lich den Cha­rak­ter der Spie­le mit. Dem­entspre­chend hoch steht Olym­pia bei uns Rin­gern im Kurs. Dabei­zu­sein bedeu­tet, die abso­lu­te Königs­stu­fe unse­res Sports erreicht zu haben. In Paris zum Kreis der 16 Bes­ten welt­weit zu zäh­len, ist etwas ganz Beson­de­res – die Erfül­lung eines Ringer-Lebenstraums.

Wie läuft es aktu­ell in Baku für dich und wel­che Form bringst du dafür mit?

Es läuft ganz ordent­lich, die Form stimmt. Wir waren im Vor­feld viel unter­wegs. Da kamen bei mir immer mal wie­der Erkran­kun­gen und klei­ne­re Infek­te dazwi­schen. Dass jetzt das Immun­sys­tem ein biss­chen schwä­chelt, hät­te ich mir natür­lich anders gewünscht. Ich bin und blei­be aber guter Din­ge für die Oly-Quali.

Du bist in der Sport­för­der­grup­pe der Baye­ri­schen Poli­zei. Was heißt das für dich als Profisportler?

Ohne die Unter­stüt­zung der Baye­ri­schen Poli­zei als mein Arbeit­ge­ber wäre Pro­fi­sport auf inter­na­tio­na­lem Niveau für mich nicht mög­lich. Wenn man allein 150 Tage im Jahr in Trai­nings­la­gern unter­wegs ist, braucht es einen Arbeit­ge­ber, der dies unter­stützt und aktiv mit­trägt. Ich bin elf Mona­te im Jahr für den Spit­zen­sport frei­ge­stellt und arbei­te einen Monat als Poli­zist. Min­des­tens genau­so wich­tig ist für mich zu wis­sen, dass ich nach mei­ner akti­ven Kar­rie­re einen Beruf in der Hin­ter­hand habe, auf den ich mei­ne Zukunft auf­bau­en kann. Dafür bin ich sehr dankbar.

Als ehe­ma­li­ger Junio­ren-Euro­pa­meis­ter weißt du, wie wich­tig eine soli­de Aus­bil­dung im Nach­wuchs­leis­tungs­sport ist. Wie erlebst du als Lan­des­trai­ner den Rin­ger­nach­wuchs heute?

Wir haben in Bay­ern immer wie­der jun­ge Sport­le­rin­nen und Sport­ler, die es bis in die Spit­ze schaf­fen kön­nen. Aller­dings haben sich die Zei­ten, als ich selbst noch im Nach­wuchs­ka­der war, geän­dert. Heu­te ver­brin­gen die Kin­der viel Zeit am Han­dy und am Com­pu­ter. Das spü­ren wir auch in Trai­nings­la­gern. Wo wir frü­her noch gemein­sam am Abend Spie­le gemacht oder uns irgend­ei­nen Quatsch aus­ge­dacht haben, zie­hen sie sich heu­te in die Sozia­len Netz­wer­ke oder auf Gam­ing-Platt­for­men zurück. Sie wir­ken dadurch auf mich ein Stück ver­weich­lich­ter. Im Rin­gen kann das aber ein Nach­teil sein. Gera­de wenn ich auf Ost­eu­ro­pa schaue, wo die Trai­ner ein har­tes, oft­mals rück­sicht­lo­ses Regi­ment füh­ren. Gegen Rin­ger, die sich in einem sol­chen Sys­tem durch­ge­setzt haben, zu bestehen, ist eine ech­te Her­aus­for­de­rung. Aber noch ein­mal – wir haben die Talen­te. Sie müs­sen was aus sich machen. Es gilt die alte Regel: Hard work beats talent. Oder anders aus­ge­drückt: ohne Fleiß kein Preis.

Was müss­te besser/anders wer­den, das deutsche/bayerische Rin­ger auch zukünf­tig inter­na­tio­nal spit­ze sein können?

Wir haben schon sehr gute Vor­aus­set­zun­gen, gera­de bei uns in Bay­ern. Der Baye­ri­sche Rin­ger­ver­band leis­tet gute Arbeit, wir haben gute Trai­ner und die Ath­le­ten fin­den brei­te Unter­stüt­zung in unse­ren Stütz­punk­ten und Trai­nings­zen­tren. Die Sport­för­der­sys­te­me durch Bund und Poli­zei set­zen dazu einen pro­fes­sio­nel­len Rah­men. Natür­lich kann man alles noch bes­ser machen, die Ver­ei­ne stär­ken und die Infra­struk­tur moder­ni­sie­ren und aus­bau­en. Aber min­des­tens genau­so wich­tig ist es für Sport­le­rin­nen und Sport­ler, akri­bisch und moti­viert die eige­ne Ent­wick­lung anzu­ge­hen. Und wenn’s an die Spit­ze gehen soll, eben mit Biss sie­ben bis acht Trai­nings­ein­hei­ten pro Woche auf sich zu neh­men. Wo ein Wil­le ist, ist auch ein Weg. Aller­dings gehö­ren da immer auch ein kla­rer Fokus, ein biss­chen Ver­zicht und eine gute Por­ti­on Selbst­über­win­dung dazu.

Wenn ein jun­ger Sport­ler vor der Wahl zwi­schen unter­schied­li­chen Sport­ar­ten steht, wie wür­dest du ihn/sie vom Rin­gen über­zeu­gen begeistern?

Rin­gen ist ein unheim­lich viel­fäl­ti­ger Sport. Er ver­bin­det Beweg­lich­keit, Kraft, tech­ni­sche Viel­sei­tig­keit, men­ta­le und kör­per­li­che Stär­ke. Hin­zu kom­men die Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Geg­ner, Stra­te­gie und Hand­lungs­schnel­lig­keit. Das kann ich nur jedem und jeder emp­feh­len. Im Ergeb­nis trägt Rin­gen zur psy­chi­schen und phy­si­schen Ent­wick­lung bei und formt in ein­zig­ar­ti­ger Wei­se die Per­sön­lich­keit und den eige­nen Charakter.

Wenn dein olym­pi­scher Traum hof­fent­lich wahr wer­den soll­te, wor­auf wür­dest du dich in Paris am meis­ten freuen?

Auf den Ein­marsch der Natio­nen bei der Eröff­nungs­fei­er und das Zusam­men­tref­fen mit den bes­ten Ath­le­ten im olym­pi­schen Dorf. Das sind schon ein­zig­ar­ti­ge Momen­te in einem Sport­ler­le­ben. Und die größt­mög­li­che Moti­va­ti­on für jeden ein­zel­nen Kampf auf der Mat­te. Aber bis dahin ist noch ein Stück Weg zu gehen.

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